Direkt nach dem Abitur zog Florian Puchert nach München, Ziel: Filmbranche. Als ihm die Hochschule eine Abfuhr erteilt hatte, sammelte der gebürtige Neutraublinger bei einer kleinen Produktionsfirma erste Meriten als Junior-Produzent, Regieassistent, Lektor und Dramaturg. Der Durchbruch als Autor gelang spätestens mit dem Drehbuch für den 2020 ausgestrahlten ARD-Mehrteiler „Unsere wunderbaren Jahre“. Gerade schreibt der 40jährige seinen ersten Roman und dreht eine Doku über den aus Kitchen impossible und The Taste bekannten Starkoch Lucki Maurer.
Hallo Herr Puchert, an Sie als Filmschaffender zunächst eine naheliegende Frage: Wieso sind Sie 2014 nach Neutraubling zurückgekehrt? Tatsächlich waren meine Frau und ich gerade erstmals Eltern geworden, und es erleichtert vieles, dass uns hier die Großeltern unterstützen können. Meine beiden Söhne sind nun acht und fünf Jahre alt und genießen das behütete Umfeld. Ich kann zuhause sehr effektiv arbeiten, und für Projekte und wichtige Meetings pendle ich.
Begegnet man als Drehbuchautor auch Schauspielstars und namhaften Regisseuren? Schauspielern eher nicht so, jedenfalls kaum intensiver als wenn man ein Event der Filmbranche besucht. Mit Regisseuren ist der Kontakt durchaus intensiv, gerade wenn Änderungen am Drehbuch erwünscht werden. Manchmal läuft das auch über die jeweiligen Produzenten. Beispielsweise wollte Katja Riemann ihre Rolle in „Unsere wunderbaren Jahre“ nur annehmen, wenn der Charakter noch eine spezielle Herausforderung bietet – so entwickelte ich mit meinem Co-Autor Robert Krause das Hinkebein der Protagonistin. Als ich früher selbst Kurzfilm-Produktionen umsetzte, habe ich mit Andreas Giebel, Michael Fitz oder auch Simon Schwarz gearbeitet.
Wie erhält man seine Aufträge? Das ist sehr unterschiedlich. Oft sichern sich TV-Sender oder mittlerweile auch Streaming-dienste die Rechte an einem bestehenden Buch oder für eine besondere tatsächliche Geschichte und kontaktieren dann ihr dazu passendes Autoren-Netzwerk mit Vorgaben zur Umsetzung. Jeder erstellt dann eine Art Drehbuch-Fahrplan mit den wesentlichen Eckpunkten für die Story, stellt sich damit dem sogenannten Pitch der Produktionscrew und hofft auf den Zuschlag.
Wie war das beispielsweise bei „Unsere wunderbaren Jahre“? Die bekannte Produktionsfirma UFA hatte bereits zwei Autorenteams verschlissen, ehe unser Pitch zum Zug kam. Damit man sich den Aufwand vorstellen kann: Unsere Erstfassung des fertigen Drehbuchs haben wir für jede der drei 90minütigen Folgen etwa siebenmal umgeschrieben oder ergänzt. Auf meinem Laptop umfasst dieses Projekt 140 Arbeitsordner mit über 4.500 Dateien.
Für die chilenisch-deutsche Thrillerserie Dignity waren sie für den Grimme-Preis nominiert?
Das liest sich in meiner Vita natürlich gut und öffnet wohl manche Tür. Da aber in jeder Kategorie fast ein Dutzend Bewerber zur Wahl stehen, zieht wohl nur der Gewinner wirklichen größeren Nutzen daraus.
Seit zwei Jahren liegt ein fertiges Drehbuch für eine TV-Serie in Ihrem Schreibtisch, wie geht es hier weiter? Das Filmbusiness ist sehr speziell und unwägbar, vieles dauert sehr lange, anderes ändert sich ganz schnell. Eine Produzentin wollte mein aktuelles Skript umsetzen, wechselt aber derzeit das Unternehmen und hat drei Angebote. Geht sie zu der Produktionsfirma, für die ich schon mehrfach Drehbücher geliefert habe, stehen die Chancen einigermaßen gut. Grundsätzlich habe ich die letzten Jahre viel konzeptuell und an Herzblut-Projekten wie diesem genreübergreifenden Thriller gearbeitet. Es gibt viele Drehbuchautoren, die sich auf Serien spezialisieren, wo klare Schemata zu Figuren und Präsenzzeiten vorgegeben sind. Jürgen Werner schieb in den 1990ern ganze Staffeln für Forsthaus Falkenau und rund 30 Tatorte – von ihm wurden sagenhafte 300 bis 400 Drehbücher tatsächlich verfilmt. Ich dagegen wollte Geschichten immer möglichst frei entwickeln. Das komplette Gegenteil von Skripted Reality – als ich damit einmal in Berührung kam empfand ich das als furchtbar und war froh, auf solchen Lohn nicht angewiesen zu sein.
Sie sind seit längerem Honorarprofessor an der Münchner Filmhochschule? Ja, dort wo sie mich damals als Student nicht wollten. (lacht) In mehrwöchigen Workshops geben ich und mein Wegbegleiter Robert Krause beispielsweise unser Wissen zur Drehbuch-Erstellung weiter, mit viel Praxis und gegenseitigem Feedback in einem „Writers Room“. Mit ihm biete ich über die Website club23.de auch Online Masterclasses zum Thema Drehbuchschreiben an. Zudem unterrichte ich noch an der Akademie der FH Ludwigsburg. Diese Standbeine ermöglichen es mir finanziell, Energie in meine kreativen Projekte zu stecken. Mittlerweile ist mein Wissen übrigens auch hier regional gefragt, die letzten Monate war ich Juror beim Ostbayerischen Schulfilmpreis, habe aus dem Drehbuch-Business im Kultursaal erzählt und kürzlich auf Einladung von Franz Phillip bei dessen P-Seminar Film am Neutraublinger Gymnasium referiert.
Soeben erstellen Sie einen Doku-Film über den Spitzenkoch Lucki Mauerer? Tatsächlich handelt die Doku von dessen Metalband. Lucki wollte nämlich als Bassist ursprünglich professioneller Musiker werden, sein Erfolg als sogenannter Fleischpapst und Wagyu Rinderzüchter stellte sich eher nebenher ein. Über die Musik lernten wir uns kennen. Seit meiner Jugend bin ich nämlich selbst Schlagzeuger in Death Metal-Kombos, trat mit Commander kürzlich bei einem Festival in Königsbrunn auf. Mit einer früheren Band tourte ich sogar bis nach Kanada, spielte damals live auf Luckis Hochzeit. Der ist übrigens privat genauso wie er im TV rüberkommt, ein kerniger Bayer, bodenständig und geradaus.
Wie geht es mit Ihrem ersten eigenen Roman, einem Oberpfälzer Thriller, weiter? Das ist bislang ein reines Hobby, seit März 2021 nutze ich Projektpausen dafür. Tatsächlich verfolge ich damit einen Kindheitstraum, ich hatte bereits als Zehnjähriger in meinem Schulheft eine achtseitige Geschichte aufgeschrieben. Seitdem hatte ich diesen Wunsch immer im Hinterkopf. Den letzten Anstoß gab dann ein Drehbuch-Kollege, der kürzlich sein Erstlingswerk veröffentlichte. Ein befreundeter Bestseller-Autor, der mein erstes Kapitel las, bestärkte mich. Jetzt muss ich noch einen Verlag finden…