Seit Mai 2020 sitzt Matthias Schelter im Neutraublinger Stadtrat, im -November 2021 wählte ihn die erstarkte, neunköpfige Fraktion der Freien Wähler zum Vorsitzenden. -Welche politischen Akzente will der fast 47jährige Wahl-Neutraublinger setzen? Ein F-reies Interview.
Hallo Herr Schelter, für Außenstehende war der Wechsel beim Fraktionsvorsitz doch eher überraschend, wie kam es dazu? Tatsächlich hatten wir schon bei der Vereidigung im Mai 2020 im Blick, dass an der Spitze während der sechsjährigen Sitzungsperiode eine Verjüngung erfolgen soll. Nach einer intensiven Eingewöhnungszeit unserer vier frischen und auch noch jungen Stadtratsmitglieder – zwei davon sind erst Mitte 20 – konnte dieser Übergang dann jedoch schneller als gedacht erfolgen.
Seit wann sind sie politisch aktiv, und warum schlossen Sie sich den Freien Wählern an? Politische Anknüpfungspunkte hatte ich viele, da ich als Diplom-Wirtschaftsgeograph seit 20 Jahren beruflich nachhaltige Energieprojekte im In- und Ausland plane und umsetze. Tatsächlich Parteimitglied im Landesverband und lokal aktiv wurde ich erst 2019, als die Kommunal-Wahlen ihre Schatten vorauswarfen und nachdem ich mich bei einem Treffen der FW im Ratskeller näher informiert hatte. Mir gefiel schon immer die Orientierung der FW an Sachthemen ohne ideologischen Ballast oder Schubladendenken, außerdem machte man sich damals als einzige Partei neben den Grünen für Erneuerbare Energien stark.
Was sind die wichtigsten Zukunftsthemen unserer Stadt? Energie, moderne Mobilität, Flächennutzung, Stärkung der Wirtschaft und Wohnraum sind meines Erachtens die anstehenden Kernthemen. Viele dieser Themen wiederum deckt das maßgeblich von mir bereits im Wahlprogramm der FW angeregte und durch den Stadtrat in den letzten eineinhalb Jahren gemeinsam vorskizzierte Integrierte Stadtentwicklungkonzept, kurz ISEK, ab. In der nächsten Zeit soll es dann zusammen mit weiteren Strukturkonzepten zum erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Ich bin es gewohnt die Dinge vom Ende her zu denken: Erst müssen wir ausarbeiten, wohin wir mittel- und langfristig wollen. Jetzt da der Plan so gut wie steht, geht es an die schrittweise Umsetzung.
Wo sollte die Verwaltung ansetzen, damit Neutraubling wirtschaftlich stark bleibt? Tatsächlich ist unser Standort sehr stark von Maschinenbau und Logistik geprägt und damit ist Neutraubling weit gekommen. Zugleich haben wir bis auf das jetzt geplante Gewerbegebiet Nord kaum mehr Flächenreserven. Somit gilt es, einerseits die vorhandenen Unternehmen bestmöglich zu unterstützen und in Neutraubling zu halten aber darüber hinaus auch die Diversität zu erhöhen und für zukunftsträchtige Branchen beispielsweise aus dem KI- oder Digitalsektor attraktiv zu werden. Ein Standortentwicklungskonzept soll uns jetzt dabei helfen, die Gleichung Wirtschaftskraft = Flächenverbrauch aufzuheben und hier zu neuen Ansätzen zu kommen.
Was ist hierbei die Rolle des Stadtrates? Wir geben mit unseren Ideen die nötigen Impulse. Die tatsächliche Umsetzung liegt dann in den Händen des Bürgermeisters, der Geschäftsleitung und der Verwaltung. Um die richtigen Unternehmen für Neutraubling zu begeistern, wäre dann sicherlich zur gegebenen Zeit auch aktive Marketingarbeit sinnvoll.
Stichwort Energieversorgung: Haben Sie als Experte konkrete Empfehlungen auf lokaler Ebene angesichts der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen? Das wird eine echte Herausforderung, nicht nur für Neutraubling. In einem ersten Schritt sollte jedenfalls der veraltete Energieleitplan überarbeitet erfolgen und verfügbare Alternativen geprüft werden. Einen entsprechenden Antrag hat unsere Fraktion bereits gestellt. Ansonsten steckt in meinen Augen in der Photovoltaik das größte Stromerzeugungspotential in Neutraubling, da hier die privaten Haushalte, die Unternehmen und die Stadt sofort etwas unternehmen können. Dieser Strom kann dann auch für Mobilität und Wärme genutzt werden. Hinsichtlich der Wärmeerzeugung müssen wir mit den Verantwortlichen des Fernwärmenetzes intensiv an dessen Weiterentwicklung arbeiten. Nicht zuletzt, da hier das neue Hallenbad und weitere kommunale Gebäude angeschlossen werden sollen.
Sie haben eine Hundefreilaufzone initiiert, treiben viel Sport auch am Guggi. Was wäre wünschenswert um den Freizeitwert Neutraublings noch zu erhöhen? Anregung unserer Fraktion aus dem letzten Jahr war es, eine Calisthenics Anlage zu errichteten. Dieser Outdoorsport hat sich in den letzten zehn Jahren in Deutschland stark entwickelt und vor allem in der Corona-Zeit viele Anhänger gefunden. Sehr schöne Beispiele gibt es hierzu auch schon in Regensburg oder Barbing.