„Jetzt komme ich gerade aus Neutraubling von einem Meeting mit Krones-Chef Christoph Klenk,“ empfängt Prof. Dr. Ralph Schneider seinen Interviewpartner Mitte November. Der Hochschulrat hatte den 57-Jährigen vor einem Jahr vom bisherigen Vizepräsidenten zum Nachfolger von Prof. Dr. Wolfgang Baier an die Spitze der OTH Regensburg gewählt, wo es für den Ingenieur nun mit etwa 240 Professoren gilt ein bestmögliches Lehrniveau für über 10.000 Studenten zu schaffen.
Hallo Herr Dr. Schneider, nun sind Sie zwei Semester lang als OTH-Präsident in voller Verantwortung, waren vorher bereits in unterschiedlichen Führungsfunktionen tätig. Wie hat sich Ihr Aufgabenfeld verändert?
Für mich persönlich ist die größte Veränderung, dass ich selbst nicht mehr Herr über meinen Terminkalender bin. Der füllt sich quasi wie von selbst. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Ich muss mir gezielt Freiräume schaffen, um etwa an der strategischen Weiterentwicklung der OTH Regensburg arbeiten zu können. Die Fülle an Terminen bedeutet jedoch zugleich: Ich bekomme die ganze Vielfalt des Lebens und Arbeitens an unserer Hochschule – und darüber hinaus – nun viel intensiver mit.
Seit 2018 fungierten Sie als Vizepräsident für Studium und Lehre, Qualitätsmanagement und Organisation sowie Digitalisierung in der Lehre. Da haben Sie sicher im Mai besonders gerne verkündet, dass Regensburg als Bayerns beste Hochschule im Maschinenbau gerankt wird?
Natürlich, ich komme selbst aus der Fakultät Maschinenbau und kenne das hohe Lehr-Engagement der Kolleginnen und Kollegen aus nächster Nähe. Das angesprochene CHE-Ranking beruht ja auf den Bewertungen von Studierenden. Es ist immer eine große Freude, wenn unsere wichtigste Zielgruppe ihre große Zufriedenheit mit der Lehre an unserer Hochschule ausdrückt. Außerdem erfahren wir so, was wir noch besser machen können.
In den kommenden fünf Jahren fließen rund eine Million Euro aus dem Programm zur Stärkung von Quantenprofessuren an die OTH. Wie werden die Mittel genutzt?
Zunächst einmal ist das eine tolle Anerkennung der langjährigen Arbeit unserer Fakultät Informatik und Mathematik in Forschung und Lehre im Bereich der Quantenwissenschaften. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir als Hochschule für angewandte Wissenschaften hier in einer Liga spielen mit Universitäten wie München oder Erlangen-Nürnberg. Diese Finanzmittel aus der Hightech Agenda des Freistaats werden in erster Linie zur Finanzierung einer neuen Professur verwendet. Damit können wir mittelfristig jungen Menschen in der Region ein höchst attraktives neues Studienangebot machen. Es geht uns darum, die neue Ingenieursgeneration frühzeitig an neue Techniken heranzuführen, da sich die Denkmuster im Quantencomputing radikal von bisherigen Programmieransätzen unterscheiden. Generell erhalten wir damit tatsächlich einen Innovationsschub, der unsere Aktivitäten etwa in der Gründungsförderung oder im Technologietransfer unterstützt und beschleunigt.
Dr. Georg Haber, Präsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, ist Vorsitzender des Hochschulrats. Wie intensiv und zu welchen Themen darf man sich den Austausch vorstellen?
Wir kennen uns seit vielen Jahren aus der gemeinsamen Arbeit im Hochschulrat und tauschen uns regelmäßig aus. Da geht es natürlich häufig um die Frage, wie wir Nachwuchs gewinnen können, das treibt ja Handwerk und Hochschule gleichermaßen um. Dr. Haber betont stets, dass wir beides brauchen: Meister und Master. Und da stimme ich ihm vollkommen zu.
Studium oder doch eine Ausbildung? Was würden Sie Ihren Kindern raten…
Mein Sohn hat sich für ein Physik-Studium entschieden. Ich habe das aber nicht beeinflusst. Mein Rat war lediglich: Entscheide dich für das, was wirklich zu dir passt, was dir Spaß macht.
An der OTH lehrten Sie seit dem Jahr 2004 unter anderem Regelungstechnik, Ingenieurinformatik und Simulationstechnik. Sind Sie nach wie vor im Hörsaal tätig?
Als Lehrender leider nicht mehr; und ich muss zugeben: Das vermisse ich. Dafür habe ich als Präsident andere Möglichkeiten, im Austausch mit jungen Menschen zu bleiben, etwa in der Zusammenarbeit mit unserer Studierendenvertretung.
Die Kreisklinik Wörth ist seit diesem Jahr praktischer Kooperationspartner der OTH für den Bachelorstudiengang Pflege. Welche Verbindungen in den südöstlichen Landkreis gibt es noch?
Wir arbeiten generell bei vielen Projekten mit dem Landkreis Regensburg selbst oder Unternehmen im Landkreis zusammen. Erst im August haben wir eine Kooperation mit dem BRK-Kreisverband Regensburg gestartet, Pflegestudierende können in der Sozialstation Schierling ihr Praktikum absolvieren. Mit Fragestellungen zu Tourismus, Mobilität, Leerstandsmanagement oder aktives Dorfleben auch aus Köfering und Neueglofsheim haben sich Studierende im Seminar Projektmanagement an der Fakultät Betriebswirtschaft auseinandergesetzt. Laut Köferings Bürgermeister Armin Dirschl hätten die Studierenden hier überzeugende Ideen entwickelt. Sie sehen: Der Praxisbezug ist uns sehr wichtig und wir sind froh, wenn wir ganz konkret in die Region hineinwirken können. Und nicht zu vergessen: Viele unserer Studierenden kommen aus dem Landkreis Regensburg.
Wie gut kennen Sie das Mittelzentrum Neutraubling?
Ich kenne Neutraubling in erster Linie dienstlich. Das Gymnasium Neutraubling ist Kooperationsschule der OTH Regensburg und war das erste Gymnasium in der Region, mit dem wir bei Projektseminaren zusammengearbeitet haben. Darüber hinaus pflegen wir enge Kooperationen in Forschung und Lehre mit der Krones AG, deren Vorstandsvorsitzender Christoph Klenk auch Mitglied unseres Hochschulrats ist. Ansonsten erinnere ich mich gerne an eine Wanderung um den Guggenberger See.
Stichworte Wokeness und Framing: Wo sehen Sie hier die Hochschulen ins Sachen Meinungsfreiheit gefordert?
In unserem Leitbild heißt es: „Der Freiheit von Studium, Lehre und Forschung sowie der Gestaltung demokratischer Entscheidungsprozesse ist die OTH Regensburg verpflichtet.“ Und: „Gegenseitiger Respekt, Toleranz, Offenheit und Ehrlichkeit aller Hochschulangehörigen sind die Grundlagen unseres Handelns.“ Anders formuliert: Der wissenschaftliche Diskurs lebt ja gerade von unterschiedlichen Meinungen, Theorien und Modellen. Stichwort akademische Selbstverwaltung: Zentrale Organe wie die Hochschulleitung, der Senat und der Hochschulrat sind durch Wahlen demokratisch legitimierte Gremien. In der Lehre vermitteln wir auch Kompetenzen im kritischen Umgang mit Informationen, Daten, Fake News. Wir fördern die persönliche und soziale Kompetenz unserer Studierenden, wir beeinflussen sie aber nicht in ihren Meinungen. Die OTH Regensburg fördert Vielfalt.
Ganz frisch und passend dazu ist die Auszeichnung des Programms Bavaria Israel Partnership Accelerator (BIPA) mit dem 10.000 Euro dotierten Shimon-Peres-Preis durch Bundesaußenministerin Baerbock, was bedeutet Ihnen hier die OTH-Beteiligung?
Das Programm BIPA steht beispielhaft zum einen für den hohen Praxisbezug, der unser Wirken in Lehre und Forschung bestimmt. Zum anderen auch für unseren Anspruch, möglichst vielen Studierenden internationale Erfahrungen zu vermitteln. Nicht zuletzt leisten wir einen Beitrag zur Völkerverständigung, den man gerade in Zeiten wie diesen gar nicht hoch genug einschätzen kann. Dass hier Studierende aus Deutschland, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf Augenhöhe zusammenarbeiten, ist keineswegs selbstverständlich.
Und noch ein OTH-Zukunftsausblick: Der 52-Jährige Prof. Dr. Christoph Skornia, Dekan der Fakultät Informatik und Mathematik, startet zum Wintersemester als neuer 4. Vizepräsident zu den Strategiethemen IT-Sicherheit, Digitalisierung und Nachhaltigkeit?
Das ist richtig. Ich habe bereits bei meinem Amtsantritt Mitte März deutlich gemacht, dass dies zentrale Strategiethemen sind. Sie sind meiner Meinung nach für die weitere Entwicklung der OTH Regensburg so bedeutend, dass sie direkt in der Hochschulleitung angesiedelt sein müssen. Ich bin froh, dass wir das mit der Schaffung der Position eines vierten Vizepräsidenten umsetzen konnten. Für mich ist das ein klares Zeichen dafür, dass etwa Digitalisierung und Nachhaltigkeit an der OTH Regensburg eben nicht nur Trend-Begriffe sind, die sich heutzutage gut in Werbetexten machen, sondern dass wir diese Begriffe tatsächlich mit Leben füllen – in Forschung und Lehre sowie auch im Wissenstransfer in Richtung Gesellschaft.
Herr Dr. Schneider, vielen Dank für das Gespräch und ein gutes Händchen bei der Weiterentwicklung der OTH!